
Nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches und der Gründung des Staates Irak stand die jüdische Gemeinde des Landes vor einer enormen Bewährungsprobe. Die Verantwortung für ihre Führung ruhte in besonderem Maße auf den Schultern des Oberrabbiners und Präsidenten der jüdischen Gemeinde, Sasson Kadouri. Über fast fünf Jahrzehnte hinweg musste er sich in einem Spannungsfeld widersprüchlicher Bewegungen behaupten: britischer Kolonialismus, Kommunismus, Nationalsozialismus, Zionismus und arabisch-irakischer Nationalismus prägten die Epoche und zogen die Gemeinde in entgegengesetzte Richtungen. Kadouris Wirken verkörpert so die Zerrissenheit einer Gemeinschaft, die zunehmend zwischen den Fronten stand und zum Spielball rivalisierender Kräfte wurde.
Von 1927 bis 1929 amtierte Kadouri als Oberrabbiner von Bagdad. In dieser Zeit unterstützte er zunächst zionistische Institutionen wie den Jewish National Fund, distanzierte sich jedoch später vom Zionismus – eine Kehrtwende, die in Teilen der Gemeinde heftigen Widerstand hervorrief. Trotz der Rückendeckung durch die irakische Regierung wurde er schließlich zum Rücktritt gezwungen. 1932 übernahm er den Vorsitz der jüdischen Gemeinde, den er bis 1949 innehatte. Doch auch dieses Amt musste er aufgeben, da man ihn verdächtigte, mit den Behörden bei der Unterdrückung der jüdischen Nationalbewegung kooperiert zu haben.
Bis zu seinem Tod im Jahr 1971 blieb Sasson Kadouri eine prägende und zugleich kontroverse Persönlichkeit – ein Symbol für den schwierigen Balanceakt zwischen Loyalität zum Staat und den Erwartungen einer gespaltenen jüdischen Gemeinschaft.
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