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Die Geschichte jüdischer Politiker und Gemeindevertreter in der arabischen Welt verdeutlicht die Spannungen zwischen Integration, Loyalität zum Staat und den wachsenden Herausforderungen durch Nationalismus und Antisemitismus. Bereits im Mittelalter standen Juden Möglichkeiten politischer Mitgestaltung offen, die im christlichen Europa jener Zeit kaum denkbar waren. So wirkte im 10. Jahrhundert Hasdai ibn Shaprut als Diplomat am Hof der Umayyaden in Córdoba, und ein Jahrhundert später stieg Samuel ha-Nagid in Granada vom Sekretär zum Wesir und schließlich zum Oberbefehlshaber des Heeres auf. Auch in der Neuzeit machten die Biografien jüdischer Politiker im Nahen Osten den Konflikt zwischen Anpassung und nationalem Erwachen sichtbar. Die Annahme des UN-Teilungsplans 1947, der israelische Unabhängigkeitskrieg und die Gründung Israels 1948 verschärften jedoch die feindliche Haltung vieler Regierungen gegenüber ihren jüdischen Gemeinden. Ein herausragendes Beispiel ist Sir Sassoon Heskel (1860–1932), der erste Finanzminister des Irak. In Wien, Berlin und London ausgebildet, brachte er europäische Fachkenntnisse in das irakische Parlament ein und legte die Grundlagen für ein stabiles Steuersystem. Wegen seiner Integrität wurde er als „Vater des Parlaments“ geehrt. Sasson Kadourie (1885–1971), Oberrabbiner und später Präsident der jüdischen Gemeinde Bagdads, rang jahrzehntelang mit der Balance zwischen Loyalität zum Staat und den Erwartungen einer gespaltenen Gemeinschaft. Neben zionistischen Strömungen bildeten sich im Irak auch antizionistische jüdische Gruppen, die auf Integration setzten und den Zionismus als Bedrohung für das Zusammenleben mit Muslimen sahen.
In Ägypten war Joseph Cattaui Pascha (1862–1942) eine Schlüsselfigur. Er wirkte an der Verfassung von 1923 mit, war Finanz- und Kommunikationsminister und Mitglied des Senats. Seine Biografie spiegelt die Verflechtung von wirtschaftlichem Erfolg, politischem Gestaltungswillen und Engagement in der jüdischen Gemeinschaft wider. Doch die politische Entwicklung nahm eine drastische Wendung: Im Irak wurden Juden wegen angeblicher Kollaboration mit Israel hingerichtet. In Ägypten kam es nach 1948 zu Bombenanschlägen auf jüdische Viertel und zu antijüdischen Übergriffen, die Dutzende Opfer forderten.
Unter Gamal Abdel Nasser intensivierten Militär und Behörden die Repressionen – und lösten so den massenhaften Exodus der jüdischen Bevölkerung aus.
(Text: Marina Shcherbakova, Gregor Schwarb, Ronny Vollandt)