
Die Torarolle, die der Synagogendiener Schehata hier hält, wird in Legenden oft mit jener Rolle des Priesters und Schreibers Ezra aus dem gleichnamigen biblischen Buch in Verbindung gebracht – eine Zuschreibung, die historisch nicht haltbar ist. Dennoch ist die Ben-Ezra-Synagoge untrennbar mit einer der bedeutendsten Handschriftensammlungen verknüpft: der Kairoer Geniza.
Eine Geniza ist im Allgemeinen ein Aufbewahrungsort in Synagogen für abgenutzte heilige Schriften, die nicht weggeworfen werden dürfen. Die Kairoer Geniza jedoch ist einzigartig, weil sie weit mehr umfasst als nur religiöse Texte – wie biblische und talmudische Schriften, Gebetbücher oder Sammlungen jüdischer Rechtsvorschriften. Die jüdische Gemeinde Kairos bewahrte dort auch Werke weltlicher Art (Grammatik, Lexikographie, Poesie, Philosophie u. a.) sowie Dokumente des Alltagslebens auf: Quittungen, ärztliche Verordnungen, Kochrezepte, Ehe- und Mietverträge, private Briefe oder Schülerübungen. Neben Hebräisch finden sich Texte in Aramäisch, Judäo-Arabisch, Judäo-Griechisch, Judäo-Spanisch, Judäo-Persisch und Jiddisch.
Die aus der Kairoer Geniza geborgenen Schriften eröffnen einen einzigartigen Blick auf die jüdische Gemeinde des mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Kairo – und zugleich auf die Wirtschafts-, Sozial- und Kulturgeschichte des gesamten Mittelmeerraums. Sie machen religiöse Bräuche ebenso sichtbar wie die alltägliche Geschichte einer Gemeinschaft, die über Jahrhunderte unter muslimischer Herrschaft lebte.
Quelle: Bettmann-Archiv
