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Die arabischen Eroberungen großer Teile des Nahen und Mittleren Ostens, Nordafrikas und der Iberischen Halbinsel im 7. und 8. Jahrhundert, verbunden mit der Ausbreitung des Islam, schufen für die jüdische Bevölkerung einen neuen Kulturraum. Dieser Kulturraum zeichnet sich durch die Ausbreitung der arabischen Sprache aus, die auch innerhalb jüdischer Gemeinschaften genutzt wurde. Die rechtliche und soziale Stellung der Juden war lange Zeit durch die Dhimma, eine Institution des islamischen Rechts, geprägt. Diese sah für Jüdinnen und Juden, als Besitzer einer schriftlichen Offenbarung, einen Schutzstatus vor. Dieser Status beinhaltete die Verpflichtung zur Zahlung einer Sondersteuer, der sogenannten Dschizya. Weitere Quellen erwähnen Diskriminierung, wie etwa bei der Kleidungswahl. Zu bestimmten Epochen wurden diese Diskriminierungen – abhängig von historischer Epoche, Region und jeweiligen Herrschaftsverhältnissen – auch vehement umgesetzt, wie etwa unter Imam Yahya in Jemen, der nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches im Ersten Weltkrieg seine Herrschaft konsolidierte und bis zu seiner Ermordung 1948 regierte. Einschränkungen in Berufswahl oder Freizügigkeit, wie sie aus Europa bekannt sind, gab es nicht. Im Irak galt das Grab des Propheten Ezechiel in Kifl über Jahrhunderte als Pilgerstätte für Juden und Muslime und erinnert an die biblische Zeit. In Bagdad zeugen die Große Synagoge und ein blühendes jüdisches Viertel von der zentralen Bedeutung dieser Region; hier bestand seit der Antike eine große jüdische Bevölkerung mit Wissenszentren, in denen etwa der babylonische Talmud entstand. Auch auf der Arabischen Halbinsel, in Städten wie Najran und Medina, lebten seit der Antike jüdische Gemeinden. Sie waren eng mit Handelsrouten verbunden und spielten eine wichtige wirtschaftliche Rolle. Der Koran verweist mehrfach auf diese Stämme, deren Konflikte mit Muhammad und seinen Unterstützern jedoch zu ihrer Vertreibung aus Medina führten. In Ägypten geben die Dokumente aus der Kairoer Geniza Einblick in religiöses wie alltägliches Leben einer vielfältigen Gemeinde. Persönlichkeiten wie Raphael Aaron Ben Shimon, Oberrabbiner von Kairo, bemühten sich im 19. Jahrhundert um die Bewahrung dieses Erbes, lange vor der Entdeckung durch europäische Forscher. Darüber hinaus reicht die jüdische Präsenz in Indien, seit dem Mittelalter über Handel eng mit dem Nahen Osten verbunden, über zwei Jahrtausende zurück: Von den Cochin-Juden bis zu den sephardischen Paradesi und den Baghdadi-Juden prägten sie Handel, Kultur und Religion. Ein dunkles Kapitel begann im Zweiten Weltkrieg: Unter Vichy-Herrschaft und deutscher Besatzung wurden in Nordafrika tausende Juden zur Zwangsarbeit verschleppt, besonders in Tunesien. Sondersteuern, Entrechtungen und Gewalt machten die Shoah auch hier zu einem erschütternden Einschnitt.
(Text: Marina Shcherbakova, Gregor Schwarb, Ronny Vollandt)