Die Aufnahme eines jüdischen Laternenladens unweit des Stadttors Bāb Bū Ǧlūd dokumentiert die vielschichtigen Alltagsbeziehungen zwischen den religiösen Gemeinschaften in Fès während der Zeit des französischen Protektorats. Das schlichte Tor aus dem 12. Jahrhundert öffnete den Weg zur Ṭalʿa Kebīra, der großen Marktstraße, die sich durch die Altstadt bis zur Qarawīyyīn-Moschee zieht.

Fès, das historische Zentrum Nordmarokkos, beherbergte seit dem Mittelalter die größte jüdische Gemeinde der Region. Da der Islam die Verarbeitung von Edelmetallen als mit Geldverleih gleichgesetzt ansah und Muslimen diese Tätigkeiten untersagte, wurden jüdische in diesem Handwerkszweig zu einem unverzichtbaren Bestandteil der städtischen Wirtschaft und konzentrierten sich auf Silber- und Goldschmiedekunst, die Münzprägung sowie die Herstellung alltäglicher Metallwaren oder wie hier gezeigt auf die Herstellung von Laternen.

Diese wirtschaftliche Spezialisierung prägte das Zusammenleben der beiden Gemeinschaften in vielfacher Weise. Muslimische Haushalte waren auf jüdische Schneider angewiesen, da sie nach islamischem Recht keine gemischten Stoffe verwenden durften – eine Regel, die auch Juden beachteten. Vor Hochzeiten und religiösen Festen überschritten muslimische Familien regelmäßig die Grenzen zwischen den Vierteln, um bei jüdischen Goldschmieden Schmuck anfertigen zu lassen.

Auch alltägliche Praktiken spiegelten diese Verflechtungen wider: Jüdische Handwerker öffneten morgens ihre Werkstätten in der Altstadt und kehrten abends in das Mellah, das jüdische Viertel, zurück. Muslimische Kunden respektierten, dass jüdische Handwerker am Sabbat nicht arbeiteten, während jüdische Händler ihrerseits ihre Ladenöffnungszeiten an die islamischen Gebetszeiten und an die wichtigsten religiösen Feste anpassten.

Das Spannungsverhältnis von religiöser Abgrenzung und alltäglicher Kooperation prägte das urbane Leben in der arabischen Welt bis weit ins 20. Jahrhundert.

Quelle: Wikimedia/Public Domain

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